20.01.2021
Klimapolitik
"Wir müssen JETZT am klimaneutralen Gebäudebestand arbeiten"

Nachbericht zum Onlinepanel am 19. Januar 2021
Ist Bremen auf dem Weg zum „klimaneutralen Gebäudebestand“? Dieser zentralen Frage widmete sich das Onlinepanels zum Themenschwerpunkt „Bauen & Stadtentwicklung“, das am 19. Januar 2021 im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Internationalen Studiengangs Politikmanagement der Hochschule Bremen stattfand. In mehreren öffentlichen Onlinepanels diskutieren Expert*innen aus Wissenschaft, Praxis, Politik und Gesellschaft vor dem Hintergrund der Arbeit der Enquetekommission entscheidende Themen der Bremer Klimapolitik.
Dass dringender Handlungsbedarf im Gebäudesektor besteht, scheint unbestritten. Allein der von Bremer Gebäuden verursachte Wärmebedarf erzeugt – die Stahlwerke ausgenommen – 23 Prozent des städtischen CO2-Ausstoßes. Um den Energiebedarf zu reduzieren und gleichzeitig CO2-Emissionen durch eine Umstellung auf erneuerbare Energien zu drosseln, müssen Neubauprojekte nach hohen energetischen Standards geplant und Sanierungen als Chance für klimaneutrale Konzepte umgesetzt werden. Bremen ist mit seinen öffentlichen Gebäuden, darunter Schulen, Kindergärten und Verwaltungen, gefordert, diesen Anforderungen gerecht zu werden und als Vorbild mit Best-Practise-Lösungen voranzugehen.
Die eingeladenen Expert*innen Annika Bruck, (Strategie und Steuerung Bau, Immobilien Bremen), Prof. Dipl.-Ing. Ingo Lütkemeyer (Architekt, Hochschule Bremen) und Dipl.-Ing. Cornelia Rösler (Leiterin des Forschungsbereichs Umwelt, Difu) diskutierten daher, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Ziel klimaneutraler öffentlicher Liegenschaften zu erreichen. Zudem zeigten sie ungenutzte Potentiale sowie jene Herausforderungen auf, die Bremen auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand meistern muss.
Vorbild – aber wie?
Öffentliche Gebäude haben eine gesetzlich vorgegebene Vorbildfunktion, derer eine wichtige Bedeutung unter anderem aus Gründen der Signalwirkung für Bevölkerung und Akteure im Gebäudesektor zukommt. Denn Klimaschutz könne nur gemeinsam gelingen, appellierte Cornelia Rösler zu Beginn ihres Vortrags. Deswegen sei es für die öffentliche Hand wichtig, alle auf dem Weg mitzunehmen und andere zu motivieren, einen Beitrag zu leisten. Die Erfüllung der Vorreiterrolle schaffe dafür Glaubwürdigkeit, Akzeptanz, Motivation und nicht zuletzt Nachahmungseffekte.
Dass dies eine Aufgabe ist, die Bremen noch meistern muss, zeigte sich im Verlauf der Veranstaltung. Längst sei klar, auf welche Gebäudestandards man setzen müsse, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 zu erreichen. Auch an den technischen Möglichkeiten scheitere es nicht, erklärte Ingo Lütkemeyer. Betrachte man außerdem die Gebäudekosten über den gesamten Lebenszyklus hinweg, zahle sich klimagerechtes Bauen und Sanieren aus. Häufig wirken aber die anfänglich hohen Investitionskosten immer noch abschreckend und stellen damit ein maßgebliches Hemmnis dar.
Bei Immobilien Bremen, Eigentümervertreterin für ca. 1600 öffentliche Gebäude, sind klimaneutrales Bauen und die nachhaltige Gestaltung des Energieverbrauchs schon länger Themen, an denen man arbeite, so Annika Bruck. Sie betont, das Unternehmen wolle Vorbild sein. Dennoch habe man in den letzten zehn Jahren nur 10 Prozent der Gebäude nach neuen energetischen Standards sanieren können. 30 bis 35 Millionen Euro wurden dafür aufgewendet. Im Neubau werde grundsätzlich nur noch auf Passivbau gesetzt und seit Mai 2020 immer mit PV-Anlagen geplant. Dass sich Solaranlagen aber bisher beim Gebäudebestand nicht durchsetzen konnte, liege zum Teil am baulichen Zustand der Gebäude oder ihrer Dachbeschaffenheit. Zudem sei auch die Wirtschaftlichkeit ein Faktor. Am Ende, so Annika Bruck deutlich, sei Immobilien Bremen aber trotz Strategie zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestands dort die Hände gebunden, wo schlichtweg nicht mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Chance: Bundesförderung für effiziente Gebäude
Anlass zur Hoffnung auf neue Impulse geben aus Sicht der Expert*innen die zur Mitte des Jahres erwartete Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die erhebliche Zuschüsse bei Einhaltung hoher energetischer Standards im Neubau und bei Sanierung verspräche und die finanzschwachen Kommunen so bei der Bewältigung der Herausforderungen im Gebäudesektor unterstützen könnte. Allerdings ist die genaue Ausgestaltung der Förderbedingungen noch nicht abschließend geklärt. Tatsächlich wäre es höchste Zeit für einen großen Schritt nach vorne: Gebäude, die wir heute nicht nach energetisch-hohen Standards bauen oder sanieren, werden auch 2050 nicht klimaneutral sein, mahnt Lütkemeyer.
Weitere bedeutsame Herausforderungen bei der Modernisierung des Gebäudebestands seien die knappen Kapazitäten in der Bauwirtschaft, zu geringes Personal bei den Kommunen sowie bei Akteuren wie Immobilien Bremen. Schon heute leide Bremen an einem massiven Sanierungsstau. Dies sei ein Problem, das auch unabhängig von der Klimathematik angegangen werden müsse und neue Konzepte erfordere.